Interview

Orte des Zuhörens

Wachsendes Angebot in der Diözese

 

Wann hat Ihnen das letzte Mal jemand richtig zugehört? Zahlreiche innere und äussere Einflüsse verhindern, dass wir unserem Gegenüber noch aktiv zuhören. Musik, der Wochenendeinkauf, der Klingelton, der uns verrät, dass wir gerade eine SMS bekommen haben, all das lenkt unsere Aufmerksamkeit ab. 


Mit den Orten des Zuhörens hat die Caritas in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Katholischen Kirche einen Raum für Hilfesuchende geschaffen, in dem sie die Erfahrung machen, dass ihnen jemand wirklich zuhört. Im Jahr 2005 eröffnete der erste Ort des Zuhörens in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Das Konzept geht auf das in den 70er-Jahren entstandene Mailänder Modell der centri d'ascolto zurück. Gegründet wurden diese, um eine Kultur der Solidarität in den italienischen Gemeinden zu implementieren. Ein Pluspunkt ist der niederschwellige Zugang zu den Angeboten, alles kann, nichts muss. Katholische Kirche und Caritas erkannten das Potenzial des Modells, bei dem geschulte Ehrenamtliche immer im Tandem zuhören und beraten. Unterstützt werden sie dabei von hauptberuflichen Mitarbeitern. Eines der Zentren des Zuhörens befindet sich in Horb. Die Online-Redaktion hat mit einer Ehrenamtlichen des Zentrums des Zuhörens in Horb gesprochen: 

 

Warum haben Sie sich in Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit gerade für das Zentrum des Zuhörens entschieden?

Ehrenamtliche: Ich habe mich für diese Tätigkeit entschieden weil ich glaube, dass Gott jedem Menschen verschiedene Begabung mitgibt – bei mir ist dies die Fähigkeit des Zuhörens. Schon früher wurde mir oft gesagt, dass ich gut zuhören kann, diese Fähigkeit wollte und möchte ich weiterhin ehrenamtlich einsetzen, um dazu beizutragen, dass Hilfesuchende ein offenes Ohr finden. 

Aus beruflichen und anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten weiss ich um die Einsamkeit vieler Menschen, die niemanden haben, mit dem sie reden können und der ihnen zuhört. Deshalb bin ich des Weiteren auch als Sterbebegleiterin in der Hospizarbeit tätig.


Wie wurden Sie auf Ihre Aufgabe als ehrenamtliche Mitarbeiterin im Zentrum des Zuhörens in Horb vorbereitet?

Ehrenamtliche: Wir wurden in 4 Modulen vorbereitet, die über drei Abende sowie einen gesamten Tag verteilt waren. Am ersten Abend gab es eine Einführung in die Geschichte und Arbeitsweise der Orte des Zuhörens. Ausserdem lernten wir die anderen Ehrenamtlichen kennen, die als Ansprechpartner tätig werden wollten. Das darauffolgende Modul bereitete uns auf die Menschen vor, mit denen wir zu tun haben würden und wie wir diesen begegnen können. Der dritte und letzte Abend beschäftigte sich mit der Beratung. Im Mittelpunkt standen Fragen und Inhalte, die sich konkret auf die Sprechstunde vor Ort bezogen, beispielsweise welche Hilfseinrichtungen es in Horb gibt oder an wen ich mich wenden kann, wenn ich als Ehrenamtliche nicht weiter weiß. Schliesslich wurden wir einen Tag lang in Gesprächsführung und aktivem Zuhören geschult.

               

Wer sind die Menschen, die zu Ihnen kommen und mit welchen  Problemen treten sie an Sie heran?

Ehrenamtliche: Es kommen Frauen, Männer, junge Menschen, alte Menschen, Mütter, Migranten, Umsiedler, Aussiedler, arme Menschen und Menschen mit einem guten Einkommen, Arbeitslose und Berufstätige – eigentlich gibt es keine spezielle Menschengruppe, die den Ort des Zuhörens aufsucht, jeder ist mit seinen Sorgen und Nöten willkommen

           

In der Regel dreht sich alles um verschiedenste privaten Angelegenheiten, wie Nachbarschaftsstreitigkeiten, Eheproblemen, Problemen mit Kindern, mit Eltern, mit Behörden, Arbeitgebern etc. Andere kommen einfach nur zum Reden.


Jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat bieten wir mit dem «Papiertiger» ein besonders Angebot, bei dem wir beim Ausfüllen von behördlichen Dokumenten und Erstellen von Briefen unterstützen. Hier geben wir beispielsweise Arbeitslosen Hilfe beim Ausfüllen des Antrags auf Hartz IV sowie beim Erstellen oder Schreiben von Bewerbungen, unterstützen Menschen, die zur Schuldnerberatung müssen und Hilfe beim Sortieren ihrer Unterlagen benötigen. Ausserdem können Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, einen Behördenbrief nicht verstehen oder die Hilfe beim Erstellen und Schreiben eines Briefes benötigen den Termin wahrnehmen.


Sind Sie in erster Linie Zuhörerin oder erwarten die Menschen, die zu Ihnen kommen, auch eine Antwort von Ihnen? Was können Sie diesen Menschen mit auf den Weg geben?

Ehrenamtliche: Zum Teil bin ich «nur» Zuhörerin, wobei Zuhören und Verstandenwerden an sich schon Hilfe sein können. Indem ich jedem Einzelnen mit Wertschätzung und Achtung begegne, kann ich Einzigartigkeit und Würde vermitteln. 

Im Gespräch miteinander kann versucht werden Lösungswege zu finden und Ideen zu bekommen, wie ein Problem angegangen werden kann. Dem «Erzählenden» kann oft schon durch Reden, das Gefühl jemand hört mir zu, geholfen sein. Auch die Weitergabe von Adressen von Hilfsorganisationen oder Behörden kann bereits eine Hilfe sein.

        

Als ehrenamtliche Mitarbeiterin am Ort des Zuhörens in Horb gebe ich jedoch nicht nur, ich bekomme auch etwas zurück, sei es ein Lächeln, eine Dankeschön oder eine neue Erfahrung.


Wo finden Sie Menschen, die Ihnen zuhören bzw. woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Aufgabe als ehrenamtliche Mitarbeiterin im Zentrum des Zuhörens?

Ehrenamtliche: Da wir in der Regel zu zweit Dienst machen, können wir uns gegenseitig Austauschen. Ebenso bieten die gemeinsamen Teambesprechungen Möglichkeiten zum Austausch.

    

Kraft für die Aufgaben als ehrenamtliche Mitarbeiterin im Zentrum des Zuhörens schöpfe ich aus dem Glauben, dem Gebet, der Meditation und aus der Natur. 


Zentrum des Zuhörens Horb:

Gutermannstraße 8 

72160 Horb