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Zeitreisen – Die unglaubliche Gabe, uns der Gegenwart zu entziehen

Zeitreisegeschichten gehören zu meinen liebsten Erzählungen. Was für eine aufregende Vorstellung, die Vergangenheit oder Zukunft zu bereisen und diese sogar nach eigenen Wünschen verändern zu können. Ausserdem besteht die Möglichkeit, liebe Menschen, die schon lange nicht mehr Teil des eigenen Lebens sind, wieder zutreffen und angenehme Momente nochmals zu durchleben. Leider alles nur Fiktion. Dachte ich bisher, bis mir auffiel, dass wir alle tagtäglich in der Zeit reisen.

Zeitreisen – unmöglich! Was schreibt sie da, werde die meisten wahrscheinlich denken. Doch beim genauen Überlegen fällt auf, dass man manche Tage sogar mehr in der Vergangenheit respektive Zukunft verbringt, als im Hier und Jetzt. Und dazu ist nicht einmal eine utopische Wundermaschine, geschweige denn eine besondere Gabe notwendig. Allein die Kraft der Gedanken ermöglicht es uns, innerhalb von Sekunden in eine andere Zeit zu springen.

 

Die Macht unserer Gedanken

Welche enorme Kraft Gedanken haben, ist mittlerweile vielfach wissenschaftlich bewiesen. Das Leben, das wir im jetzigen Augenblick führen, ist zu einem Grossteil allein auf unsere Gedanken und damit verbundene Glaubenssätze zurückzuführen. Denn was wir über uns und unsere Umwelt denken, beeinflusst massgeblich unsere Entscheidungen und unser Handeln, was wiederum Einfluss auf unsere Umwelt und unser Leben hat.

Wer also mit seinen Gedanken im wahrsten Sinne des Wortes stets in der Vergangenheit feststeckt, wird in der Zukunft keine grossen Sprünge machen. Das heisst nicht, dass wir uns nicht ab und zu gern an schöne Momente erinnern dürfen. Doch nostalgische Zeitreisen in die guten alten Tage sollten keinen grösseren Rahmen einnehmen als das Hier und Jetzt. Noch wichtiger ist es, mit Schicksalsschlägen und Herausforderungen in der Vergangenheit ein für allemal abzuschliessen. Jede Reise in vergangene schwere Zeiten, lässt uns diese emotional und körperlich nochmals durchleben. Wir sind sozusagen wieder in genau dem belastenden Moment, den wir eigentlich nicht nochmals erleben wollten.

 

Also lieber schnell nach vorn geschaut und einen Sprung in die Zukunft gewagt. Hier stehen uns schliesslich alle Türen offen. Wir haben das Zepter in der Hand, um unser eigenes Königreich zu gestalten. Leider birgt jedoch auch der Zeitsprung ins Morgen einige Tücken. Zum einen landen wir statt im erhofften Paradies, in dem wir Cocktail schlürfend am eigenen Pool liegen, meist in einer Dystopie, in der wir ohne Geld, einsam und von Krankheiten gezehrt unsere Tage schwerfällig verbringen. Zum anderen versetzt uns dieser ebenfalls sehr reale Blick in die dystrophe Zukunft häufig in eine Art Angststarre. Statt uns für die vielversprechende neue Position zu bewerben oder den*die potentielle*n Partner*in, der*die uns schon mehrmals vielsagende Blicke zugeworfen hat, anzusprechen, kneifen wir im entscheidenden Moment. Schliesslich hat die Zeitreise ja bereits gezeigt, das wir am Ende den Job nicht bekommen, respektive allein ohne Partner*in zurückbleiben. 

 

Die Definition von Zeit und wie wir sie bestmöglich für uns nutzen.
Obwohl unser gesamtes Leben zum Grossteil am Faktor Zeit ausgerichtet ist, existiert diese, so wie wir sie für uns allgemeinhin definieren, eigentlich gar nicht. Die Zeit ist ein von Menschen gemachtes Konstrukt, um unser Dasein besser strukturieren zu können. Das Empfinden von Zeit ist deshalb eine äusserst subjektive Angelegenheit, die von Mensch zu Mensch aber auch für einen einzelnen Menschen von Situation zu Situation unterschiedlich wahrgenommen wird. So ziehen sich fünf Minuten beim Warten auf den Bus ewig hin, während dieselbe Zeitspanne beim Fertigmachen für den Ausgang wie im Fluge vergeht. Entgegen geläufiger Sprichworte wie «keine Zeit verlieren» oder «keine Zeit vergeuden», haben wir tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Zeit und deren Verwendung. Genau betrachtet ist es sogar umgekehrt. Die Zeit ist das einzige Gut, dass immerfort erhalten bleibt, egal wieviel von ihr wir verschwenden, und das immerfort währt, auch wenn es uns schon lange nicht mehr gibt.

 

Obwohl wir keinerlei direkten Einfluss auf die Zeit haben, können wir sie bestmöglich für uns nutzen. Dabei kann uns das Wissen über den 3-Sekunden-Takt unseres Gehirns helfen. 3-Sekunden, das ist unser gesamtes Sein, unsere Gegenwart, der Rhythmus, in dem unser Gehirn arbeitet. Vergangenheit und Zukunft liegen also nur knapp 20 Wimpernschläge* voneinander entfernt. Zeitreisen scheinen von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet fast leichter, als das bewusste Erleben des aktuellen Moments. Folgende Verhaltensweisen können uns dabei helfen, uns die Zeit wieder mehr zu eigen zu machen und bewusster in der Gegenwart zu leben:

  • Bewusst Atmen
    Wenn man der Zeit wieder einmal hinterherzujagen scheint, kurz innehalten und mehrmals tief durchatmen. Das tiefe Atmen lenkt das Bewusstsein auf den Körper und weg von äusseren Einflüssen. Das lässt uns zur Ruhe kommen.
  • Langsam rückwärts Zählen
    Diese Methode funktioniert ähnlich wie das bewusste Atmen. Wer sich voll und ganz auf das Herunterzählen konzentriert, kann nicht gleichzeitig mit seinen Gedanken woanders sein.
  • Bewusstheit/Achtsamkeit zelebrieren
    Während wir stetig in der Zeit vor und zurück springen, verpassen wir viele schöne Momente in der Gegenwart. Für mehr Bewusstheit hilft die achtsame Wahrnehmung unserer direkten Umgebung sowie unserer eigenen Gefühle und Befindlichkeiten.

Beim genaueren Beobachten haben Zeitreisen gar keine so unglaubliche Anziehungskraft mehr. Unsere eigentlich beste Zeit ist jetzt und unsere eigentlich beste Gabe, durch eine bewusst erlebte Gegenwart eine lebenswerte Zukunft zu erschaffen und schöne Erinnerungen in der Vergangenheit zu gestalten. Genau jetzt in diesen 3-Sekunden!

* 1 Wimpernschlag beträgt ca. 0.15 Sekunden


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Kommentare: 1
  • #1

    Martina (Sonntag, 12 Dezember 2021 17:03)

    Wenn es einem gut geht, sollte man im Moment verweilen. Nicht daran denken, was vielleicht in der Vergangenheit schlecht war, oder ob evtl. etwas Schlimmes noch kommen könnte. Da verbringt man ja sonst die schöne Zeit in Angst und merkt gar nicht, dass es einem gerade gut geht. Aber wenn es einem sehr schlecht geht, dann hilft vielleicht in eine schöne Vergangenheit abtriften und an einstmals schöne Momente denken oder auf eine schönere Zukunft hoffen.